Endlich ist der Sommer da, die heißen Monate beginnen. Doch wo Sonne ist, ist nicht immer Schatten. Sonneneinstrahlung kann Wohnungen, aber auch gewerbliche Einheiten unerträglich aufheizen. In einem aktuell entschiedenen Fall aus der Rhein-Main-Gegend hatte ein Wohnungseigentümer darauf geklagt, dass ihm die Installation eines Split-Klimagerätes gestattet wird. Die Klage scheiterte.
Mit Beschluss vom 20.4.2021 zum gerichtlichen Aktenzeichen 2-13 S 133/20 wies das Landgericht Frankfurt/Main die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Friedberg (Hessen) zurück, weil das Rechtsmittel nach einhelliger Ansicht der Kammer keine Aussicht auf Erfolg und keine grundsätzliche Bedeutung hatte. Die Entscheidung ist gespickt mit zahlreichen Aussagen zum Wohnungseigentumsgesetz in seiner seit dem 1.12.2020 geltenden Neufassung (WEMoG).
Der Fall:
Die Parteien der Beschlussklage sind die beiden einzigen Eigentümer einer verwalterlosen Wohnungseigentümergemeinschaft. Diese wurde 1983 gegründet und besteht aus Reihenhäusern, wobei jedes Reihenhaus eine eigene Untergemeinschaft bildet. Die Wohneinheit der Kläger besteht unter anderem aus dem Dachgeschoss. Die Kläger beabsichtigen, auf dem Dach eine Klimaanlage anzubringen, und zwar das Außengerät eines aus Innen- und Außenteilen bestehenden Split-Klimasystems. Zur Verbindung des Außenteils mit dem Innenteil ist die Durchbohrung des im gemeinschaftlichen Eigentum befindlichen Daches erforderlich. Die Kläger klagen auf Feststellung, dass dazu die Zustimmung der Beklagten entbehrlich ist. Hilfsweise beantragen sie Verurteilung der Beklagten zur Zustimmung, was gerichtlich als Beschlussersetzungsklage gewertet wird. Vom Gesetz abweichende Vereinbarungen über die Zulässigkeit der Vornahme baulicher Veränderungen scheint es in der Gemeinschaftsordnung nicht zu geben, denn in der gerichtlichen Entscheidung findet sich dazu nichts.
Die Entscheidung:
Die Klage scheiterte in beiden Instanzen. Der Hauptantrag sei bereits deshalb chancenlos, weil nach neuem Recht gemäß § 20 WEG jede bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums zwingend einer Beschlussfassung durch die Eigentümer bedürfe, selbst wenn niemand über das gesetzlich zulässige Maß hinaus beeinträchtigt werde. Der Hilfsantrag, den das Gericht demgemäß als Beschlussersetzungsklage deutet, sei unbegründet, weil die Kläger keinen Anspruch auf das Klimagerät und infolgedessen auch nicht auf eine diese legitimierende Beschlussfassung hätten. Einen Anspruch auf Gestattung baulicher Veränderungen kenne das WEMoG nur für die vier in § 20 Abs. 2 WEG aufgelisteten privilegierten baulichen Veränderungen. Klimageräte gehörten nicht dazu. Selbst wenn zum neuen Recht schon jetzt diskutiert werde, ob man die Vorschrift hier und dort etwas weiter auslegen müsse (z. B. zukünftige technische Fortentwicklungen, mediale Versorgung aus verfassungsrechtlichen Gründen), fielen Klimageräte auch bei einer unterstellten Zunahme von Hitzelagen im Rhein-Main-Gebiet nicht hierunter. Schon 1983 habe es heiße Sommer gegeben. Dies sei den Klägern bei Erwerb bewusst gewesen, ebenfalls die Tatsache, dass das Dach ungedämmt ist und sich bei hoher oder langer Sonneneinstrahlung stark erhitze.
Fehle es an einer privilegierten baulichen Veränderung und einer Mehrheit, die für die bauliche Veränderung stimmt, schaue der bauwillige Eigentümer nach dem Willen des neuen Gesetzes in die Röhre, wenn – wie hier – die bauliche Maßnahme Beeinträchtigungen mit sich bringe, die über das gesetzlich zulässige Maß hinaus gingen. Dies lasse sich § 20 Abs. 3 WEG entnehmen, der insoweit – was also die Schwelle der Beeinträchtigung betreffe – in seiner Strenge an die frühere Gesetzeslage (§ 22 Abs. 1 Satz 2 WEG aF) anknüpfe. Das Landgericht sieht zwei Beeinträchtigungen, erstens das Durchbohren des Daches, zweitens die von außen sichtbare Veränderung des optischen Erscheinungsbildes durch Außengerät und Trittstufe davor.
Fazit für Wohnungseigentümer:
Wohnungseigentümer, die für sich individuelle bauliche Veränderungen am Sondereigentum oder am gemeinschaftlichen Eigentum beabsichtigen, sollten dies vor Baubeginn anzeigen und die erforderliche Beschlussfassung herbeiführen. Der Beschluss bindet auch Sondernachfolger, kann also künftigen Streit vermeiden. Für bauliche Veränderungen am gemeinschaftlichen Eigentum gilt § 20 WEG. Für bauliche Veränderungen des Sondereigentums gilt § 20 WEG gemäß § 13 Abs. 2 WEG mit der Maßgabe entsprechend, dass es keiner Gestattung bedarf, soweit keinem der anderen Eigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst.
Eine Beschlussersetzungsklage ist erst zulässig, nachdem die Eigentümerversammlung mit dem Baubegehren vergeblich vorbefasst wurde. Ausnahmen sind anerkannt, beispielsweise eine schon vorher ausdrücklich erklärte Ablehnung bei eindeutiger Stimmenlage. In einer Zweiergemeinschaft etwa erscheint es als reine Förmelei, die Versammlung abstimmen zu lassen, wenn der andere Eigentümer bereits sein Nein zum Ausdruck gebracht hat und dies dokumentiert ist (zu Beweiszwecken für den Kläger).
Bauwillige Eigentümer müssen in Situationen wie der vorliegenden „weg von der baulichen Veränderung“ (§ 20 WEG) und „hin zur ordnungsmäßigen Verwaltung“ (§§ 18 Abs. 2; 19 Abs. 2 WEG) argumentieren. Die Abgrenzung ist stets vom Einzelfall abhängig und juristisch anspruchsvoll. Ist Sondereigentum durch seine bauliche Beschaffenheit infolge von sonnenbedingter Aufheizung für Menschen ohne gesundheitliche Risiken nicht nutzbar, sind Gegenmaßnahmen nicht zwingend als bauliche Veränderung einzustufen. Auch öffentlich-rechtliche (z. B. Landesbauordnungen) oder sonstige gesetzliche Vorgaben (z. B. Arbeitsstättenverordnungen) an die Nutzung von Aufenthaltsräumen in Wohnungs- oder Teileigentum (z. B. Sonnenschutz, Klima- und Kältetechnik) können relevant sein, da ihre Erfüllung grundsätzlich ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, also nichts mit einer baulichen Veränderung zu tun hat.
Quelle: vdiv-bw Beiratsnewsletter 2021-2